Nintendo hat mit der Wii U, welche diese Woche auch in Europa an den Start geht, bereits den ersten Schritt in die nächste Generation gewagt, doch was können wir von Microsoft in den folgenden Monaten erwarten? Aktuelle Gerüchte und Spekulationen lassen uns bereits erahnen, welche Richtung der US-Großkonzern einschlagen wird. Wir versuchen uns anhand des aktuellen Stands der Informationen ein Bild über Microsofts Zukunft in der Videospielindustrie zu machen.
Microsoft arbeitet momentan neben dem offiziellen Nachfolger der Xbox 360 an zwei neuen Xbox-Geräten, wenn man den Gerüchten Glauben schenken möchte. The Verge berichtete, dass uns sowohl ein Xbox Surface Tablet, als auch eine “Xbox TV” genannte Set-top Box erwarten. Wir werden vermutlich erst im Laufe des nächsten Jahres erfahren, ob diese Informationen, die von mehreren Quellen, die “mit Redmonds Plänen vertraut” sein sollen, stammen, zu einhundert Prozent zutreffend sind.
Gehen wir aber davon aus, dass Microsoft tatsächlich eine mehrgleisige Strategie fahren will, lässt das einige Schlussfolgerungen zu. Mehrere “Xboxen” ins Feld zu schicken, in verschiedenen Preiskategorien und auf unterschiedliche Zielgruppen zugeschnitten, kann für uns Spieler durchaus seine Vorteile haben – es bringt aber auch genügend Gründe zur Skepsis mit sich.
Generell können wir die Erweiterung der Marke Xbox nur willkommen heißen. Microsoft versucht mehr Kunden zu gewinnen, die normalerweise nicht zur Zielgruppe für klassische Spielkonsolen gehören, was mehr Menschen in Kontakt mit Spielen bringt. Apple hat es ebenfalls mit dem iPhone und iPad geschafft, weniger Technik-affine Konsumenten auch für Spiele zu begeistern. Es ist also kein Wunder, dass Microsoft ebenfalls ein Stück vom Kuchen dieses neuen Kundensegments abbekommen möchte.
Da Xbox Surface und Xbox TV Spielerfahrungen bieten sollen, die eher Gelegenheitsspieler ansprechen und den Fokus verstärkt auf Multimedia-Inhalte legen, wäre es für Microsoft außerdem möglich den Xbox 360-Nachfolger einhundert-prozentig auf den Geschmack der enthusiastischen Spielgemeinschaft abzustimmen. Microsoft stünde nicht länger unter Druck ein Gerät entwickeln zu müssen, das sämtliche Funktionen beinhaltet und jede Art von Konsument kompromisslos glücklich stellt. Stattdessen würde eine Strategie mit drei seperaten Xbox-Geräten es erlauben, fokussiert ganz spezielle Zielgruppen anzusprechen und diesen das bestmögliche Erlebnis zu bieten.
Dass Microsoft über verschiedene Bereiche des Unternehmens hinweg Subvention betreibt (und so beispielsweise durch die Einnahmen mit Windows die Videospielsparte finanziert) ist natürlich nichts Neues. Durch einen erhöhten Profit im Bereich der Multimedia-Inhalte und Gelegenheitsspiele wäre es Microsoft allerdings möglich den Xbox 360-Nachfolger auch innerhalb der Entertainment and Devices Division zu subventionieren und diesen Bereich des Unternehmens unabhängiger von ihren restlichen Geschäften und insgesamt profitabler zu machen. Das mag auf den ersten Blick nicht von großem Vorteil für den Endkunden sein – wer sich allerdings eine leistungsstarke Konsole zu einem günstigen Preis erhofft, kann erleichtert sein, dass Microsoft auf diese Weise problemlos mehrere hundert Dollar pro verkaufter Konsole “verlieren” könnte, ohne tiefrote Zahlen mit der Xbox-Sparte zu schreiben.
Kurzum: Mehrere Xbox-Geräte, mehr Gewinn für Microsoft und ein rosarotes Land der Glückseligkeit sowohl für den Konzern als auch für uns Spieler? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Im Gegenteil – Microsofts Pläne den Markt für Xbox-Produkte aufzugliedern können auch komplett nach hinten losgehen.
Sollten Xbox Surface, Xbox TV und die “Xbox 3” nicht über einen einheitlichen und universellen Software-Marktplatz verfügen, könnte es dazu kommen, dass Kunden gezwungen wären, mehrere Xbox-Geräte zu besitzen, um sämtliche Angebote nutzen zu können. Nicht nur das, sondern durch die sich schnell weiterentwickelnde Technologie im Tablet-Markt sollten insbesondere Besitzer des Xbox Surface damit rechnen, alle zwei bis drei Jahre auf die neueste Iteration umsteigen zu müssen. Diese Fragmentierung des Marktes ist etwas, vor dem Microsoft auch zuvor nicht zurückgeschreckt hat: So gibt es zahlreiche Windows Phone Geräte, die mit dem neuesten Systemupdate – und damit auch mit neueren Spielen und Apps – nicht kompatibel sind.
Doch nicht nur für Konsumenten stellt eine Fragmentierung des Marktes ein Problem dar. Entwickler müssten zukünftig entscheiden, welche Systeme sie mit Software versorgen möchten und welche nicht. Wenn die Userbasis der “neuen Generation Xbox” dreigeteilt ist, müssen alle drei Teile auch mit Software unterstützt werden. Jedoch wird es wohl nur für die Riesen im Geschäft möglich sein, ihre Spiele für verschiedene Geräte anzupassen – kleinere Entwickler könnten hier den Kürzeren ziehen und wegen geringerer Ressourcen immer nur einen Bruchteil der Xbox-Kundschaft erreichen.
Genauso kann es sich für Microsoft als schwierig erweisen, ihre Konsumenten mit der Botschaft einer dreiteiligen Hardwarestrategie zu erreichen. Wir haben das Problem schon bei Nintendo miterlebt: Wie entscheidet sich der potenzielle Käufer zwischen Nintendo DSi, DSi XL, 3DS und 3DS XL? Kann Microsoft deutlich machen, dass beispielsweise Xbox TV nicht das neueste Call of Duty in bester Grafik abspielen kann? Immerhin handelt es sich in den Augen der Konsumenten auch hierbei um eine “Konsole”, die mit dem Fernseher verbunden wird. Für weitere Verwirrung kann auch die Wahl zwischen einem Surface-Tablet und dem Xbox Surface führen. Käufer die Wahl zu geben, welches Produkt am ehesten für sie geeignet ist hat seine guten Seiten, es kann aber auch zu Frustration und Unentschlossenheit führen, wenn Microsoft seine zukünftigen Geräte nicht stark genug voneinander trennen wird.
Hat Microsoft also mit der geplanten Xbox-Hardware ein Ass im Ärmel oder legen sie sich nur unnötig selbst Steine in den Weg? Um das beurteilen zu können, fehlen uns natürlich noch die Details, bis es zu einer offiziellen Ankündigung kommt. Es ist aber deutlich, dass die Gerüchte ganz klar zu Microsofts aktuellen Bemühungen passen, Xbox als die Marke für Unterhaltung zu etablieren. Selbst im Kommentar zu den durchgesickerten Informationen bestätigt der Konzern erneut, dass sie “immer über die nächsten Schritte ihrer Plattform und über Wege dem Lebenszyklus [von Konsolen] zu trotzen nachdenken.” Was sich also schon während der diesjährigen E3-Präsentation angedeutet hat, scheint Microsoft mit ihren Schritten in die nächste Konsolengeneration konsequent fortzusetzen: Xbox soll nicht länger nur ein Synonym für Videospiele sein, sondern für sämtliche Unterhaltungsmedien, verteilt auf eine Vielzahl an verschiedenen Geräten – sei es Konsole, Tablet oder Set-top Box.