Open World Spiele – ein Übermaß an Freiheit?

In Spielerezensionen der letzten Jahre trifft man immer häufiger auf die Beschwerde, Spiele wären „zu linear“. Welten wären nicht offen genug, Ziele wären zu eindeutig, man fühle sich seitens der Entwickler bemuttert. Besonders Spieler aus der NES- und SNES-Ära vermissen ein gewisses Gefühl der Selbstständigkeit. Wann war das letzte mal, dass ihr in einem „Dungeon Crawler“ eure eigene Karte zeichnen musstet? Wie lange ist es her, dass ihr euch eine Tresorkombination oder ein Passwort, welches ihr erst im späteren Spielverlauf benötigt aufschreiben musstet? Keine Ahnung? Genau das sehen viele als Problem.

Dabei muss ein lineares Erlebnis keineswegs schlecht sein. Spiele wie Heavy Rain, Uncharted, oder, einer meiner persönlichen Favoriten, The Stanley Parable führen uns an der Nase, um genau die Geschichte zu vermitteln, die der Entwickler realisieren wollte. „Linear“ ist überhaupt ein sehr vager Begriff. Ein Open World Spiel kann linear sein und uns trotzdem eine weite, offene Welt darbieten. Ich würde sogar sagen, dass zu viel Freiheit einem Spiel schaden kann. Bestes Beispiel wäre hierfür der RPG-Hit des letzten Jahres höchstpersönlich, The Elder Scrolls V: Skyrim. Um meinen Punkt klar zu machen, vergleichen wir die erste Spielstunde in Skyrim mit einem Spiel des selben Entwicklers, Fallout 3.

Fallout 3

Wir beginnen die Reise mit der Geburt unseres Helden, und verfolgen dessen Kindheit in der Vault mit. Wir erleben die Beziehung zwischen uns und unserem Vater, lernen die Bewohner der Vault kennen, und so geht das eine Weile weiter, bis wir erfahren, dass unser Vater die Vault verlassen hat. Unsere Hauptmission für den größten Teil des Spiels beginnt an dieser Stelle: Finde deinen Vater. Wir schreiten aus der Vault, und beginnen in der nächsten Stadt mit der Suche nach Hinweisen.

Skyrim

Unser Spieler, angeklagt für ein uns unbekanntes Verbrechen, ist auf dem Weg zu seiner Hinrichtung. Wir kommen an unserem Ziel an, der Henker macht sich bereit für den Todesstoß … und plötzlich greift ein Drache das Lager an! Krachbumm, Feuer, Action, die Entwickler setzten ein eindeutiges Statement: Bitte schenkt unserem Spiel Beachtung! Wir wählen eine Fraktion der wir den Rest des Spiel angehören sollen obwohl wir keine Ahnung haben was ihre Motive sind, entkommen unserem sicheren Tod, und marschieren gemütlich in die nächste Stadt. Ab hier erhalten wir eine Quest nach der anderen, welche uns irgendwann zu unserem endgültigen Spielziel führen, sicher, aber eine wirkliche Ahnung was vor sich geht haben wir erst in ein paar Stunden, ja vielleicht sogar Tagen, je nachdem ob man sich an die Hauptquests hält, oder lieber Nebenmissionen erledigt und die Welt erkundet.

Warum rechne ich das dem Spiel negativ an? Ein roter Faden ist das A und O einer guten Story. Eine Daumenregel für Autoren ist: Je näher du deine Geschichte am Finale beginnst, desto besser. Das gilt insbesondere für Spiele, da man sich in diesen meist nicht so viel Zeit für Sachen wie Charakterentwicklung nehmen kann, wie in anderen Medien. Spiele sollen interaktiv sein, daher muss die Geschichte so knapp wie möglich gehalten werden (Ausnahmen bestätigen die Regel). Dazu kommt noch, dass der Otto Normalspieler schnell die Motivation verliert. Wir haben besonders zur Hauptsaison der Neuerscheinungen die Qual der Wahl: Welches Spiel ist meine Zeit wert? Was in den ersten zwei Stunden nicht fesseln kann, erwartet das staubige Exil im Regal. Denn was ist eine Geschichte schon ohne Ziel? Stellt euch vor, Der Herr der Ringe hätte mit einem unbeschwerten Road-Trip ins Bruchtal begonnen, und erst dort käme der Ring ins Spiel. Wir müssen wissen wofür wir kämpfen, warum wir von Punkt A nach Punkt B gehetzt werden. Wozu sollen wir Frau Meier ein Leib Brot vom Bäcker holen, wenn uns diese Aufgabe nicht in irgendeiner Form dabei hilft, den großen Lord Bösewicht niederzustrecken?

Fallout 3 baut ab der ersten Minute die Beziehung auf, welche den Grundstein für die Hauptquest legt, die uns dann durch das Ödland führt. Das ist nicht „zu linear“, da wir jederzeit vom Weg abweichen können, aber wir sind uns immerhin über unser Ziel bewusst. Wir wissen wofür wir kämpfen, was uns im späteren Spielverlauf erwartet, und wir können jederzeit wieder die Jagd auf unser Ziel fortführen.

Währenddessen haben wir in Skyrim zwar die absolute Erkundungsfreiheit, eiern jedoch mehr oder weniger Ziellos durch die Gegend. Bethesda wollen uns hiermit das Gefühl von Selbstständigkeit vermitteln, doch leider auf Kosten einer durchdachten Narrative. Das wir an diesem Punkt eine „Hauptquest“ haben ist völlig irrelevant, da diese Inhaltslos ist. Wir wissen nicht was für die Rückkehr der Drachen verantwortlich ist, und wir haben absolut keine Ahnung wofür wir eigentlich all diese Aufgaben erledigen. Das Spiel wird hierdurch schlechter. Das mag vielen Spielern gar nicht aufgefallen sein, aber mich persönlich hat diese Kleinigkeit unglaublich gestört, und war wohl der Hauptgrund warum ich Skyrim bis heute nicht durchgespielt habe.

Wir müssen uns nun die Frage stellen, was uns in einem Spiel wichtiger ist. Eine von Anfang an fesselnde Geschichte, oder das Gefühl von Selbstständigkeit und Freiheit? Was meint ihr?

1 Kommentar zu „Open World Spiele – ein Übermaß an Freiheit?“

  1. Ich würde sagen, dass die Frage, ob eine fesselnde Geschichte oder das Gefühl von Selbstständigkeit wichtiger ist, doch sehr stark vom jeweiligen Spiel abhängt…
    The Legend of Zelda wäre zum Beispiel ohne eine gute Story und die epische Atmosphäre, die sich dahinter verbirgt vermutlich nur halb so viel wert 😉
    Bei Monster Hunter fällt hingegen die Story komplett unter den Tisch, was meiner Meinung nach so auch gut ist!
    So konzentriert man sich nämlich auf das Wesentliche; eine Story wäre völlig fehl am Platz, da es in Monster Hunter vorrangig um das “Hochleveln” der Ausrüstung und die Beschaffung von Materialien hierfür geht 🙂
    Monster Hunter lässt einem daher IMHO prinzipiell mehr Freiheiten als TLoZ, da man sich überhaupt nicht an einer Story orientieren muss. Einzelne Sidequests in TLoZ können da einfach nicht die Freiheit von MH aufwiegen 😛
    Das gilt IMHO sowohl für Open-World-Spiele, als auch für alles andere 😉

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