“Rette die Welt und erschaffe sie neu!”, mit diesen Worten warb vor ziemlich genau 15 Jahren die deutsche Fernsehwerbung für eines der letzten großen Super Nintendo-Spiele. Und dieser Satz ist Programm, denn das Rollenspiel Terranigma dreht sich rund um die Wiedererschaffung unseres Planeten nach seiner Zerstörung und genießt unter den zahlreichen Fans einen unglaublichen Kultstatus. Einer der Gründe dafür ist die wunderbar melancholische Musik, die wir – nach der Sylvesterpause – zu unserem heutigen Soundtrack der Woche küren.
Terranigma – aus heutiger Sicht haftet diesem Namen etwas Großes, Episches an – und das nicht nur, weil das Spiel in der damals rollenspieltypischen Riesenverpackung samt Spieleberater daher kam. Nein, viel mehr liegt es wohl daran, dass sowohl Macher als auch Fans wussten, dass dies der Abschluss einer ganzen Ära sein würde. Das Super Nintendo wurde in den 90ern mit einer großen Zahl hervorragender 16Bit-Rollenspiele beglückt. Ob Secret of Mana, Secret of Evermore, Lufia, Chrono Trigger, Illusion of Time oder Final Fantasy VI, Rollenspielfreunde bekamen auf der Nintendoplattform reichlich anspruchsvolle Unterhaltung geboten. Gern touchierten die japanischen Werke auch existenzielle Fragen oder setzten sich mit den Hintergründen des Lebens auseinander, in gewisser Weise war das Genre damals also schon ausgesprochen erwachsen. Terranigma erschien hierzulande Ende ’96 als letzter großer Vertreter seiner Zunft, das Super Nintendo hauchte im Konkurrenzfeld von Sega Saturn und Sony Playstation langsam seinen letzten Atem aus und das Nintendo 64 stand bereits in den Startlöchern. Doch was den damals neuen Plattformen noch ganz gewaltig fehlte, waren gute Rollenspiele, denn aufgrund ihrer aufregenden 3D-Technik waren eher Titel wie Tomb Raider, Tekken oder Ridge Racer in aller Munde, Final Fantasy VII war noch weit entfernt. Nintendo nutzte die Gunst der Stunde und konzipierte zusammen mit den damaligen Rollenspielexperten von Quintet ein enorm umfangreiches Abenteuer, dass den Spieler in die Unterwelt eines toten Planeten versetzte, von wo aus nach und nach Kontinente und Lebewesen wiedererschaffen werden mussten. Das Tolle daran: Wie sich spätestens anhand der Kontinente zeigte, handelte es sich bei der zerstörten Welt um unsere Erde und in zahlreichen, kleinen Spieldetails beleuchtete Terranigma kritisch den menschlichen Umgang mit seiner Welt. So gesellt sich zu späterem Zeitpunkt, wenn die Welt in ihrer physischen Form wieder existiert, sogar eine Prise Wirtschaftssimulation ins Spiel hinzu. Der Held Ark kann den Wiederaufbau der Städte beeinflussen, wobei hoher Wohlstand auch mit erhöhter Ignoranz der Menschen einhergeht. Dieses spannende Umfeld einer Planetenerschaffung macht Terranigma bis heute einzigartig, die Atmosphäre lebt von den vielen einsamen Passagen auf Arks Streifzügen durch die untergegangene Welt.
Musikalisch dürfte jedem, der den Titel einmal gespielt hat zumindest noch die Titelmelodie ein Begriff sein, denn der epische Opener holte alles aus dem Super Nintendo heraus, was die Midi-Synthesizer hergaben und ist auch heute noch toll anzuhören. Kein Wunder, dass auf Youtube zahlreiche Neu-Arrangements dieses Tracks herumgeistern. Die beiden Komponisten des Spiels, Miyoko Kabayashi und Masanori Hikichi haben große Teile ihres Soundtracks um dieses Thema herumgestrickt, wie etwa beim Stück A Heros Final Day, zu dessen Hintergrund leider nicht viel gesagt werden kann, ohne Teile der Handlung zu spoilern. Der Titel Sad variiert das Thema und verleiht ihm eine ruhige, getragene Stimmung mit der mehrfach traurige oder melancholische Momente begleitet wurden. Apropos: Die bereits angesprochene Melancholie ist sozusagen die Grundstimmung des Spiels. Denn obwohl der Held Ark den Menschen Hoffnung bringt, sind doch Tod und Zerstörung die Ausgangsbasis von Terranigma, die wenigen verbliebenen Menschen leben im Schutz ihrer Dörfer in der Unterwelt. Arks Heimatdorf Krysta, dessen Friede den bitteren Beigeschmack der Isolation von der restlichen Unterwelt in sich trägt, ist Paradebeispiel dafür. Gleiches gilt für die Unterwelt selbst, sozusagen die globale Karte, auf der sich Ark zu Beginn des Spiel bewegt. Kabayashi und Hikichi bauten gern und häufig sphärische Elemente in die meist ruhigen Lieder ein. Im späteren Spiel auf der Oberwelt angekommen, setzt sich das ein Stück weit fort, doch hört man der Musik förmlich an, dass von nun an neues Leben aus dem Boden sprießen wird. Ganz anders dagegen die Musik der Bosskämpfe, hier dominiert adrenalintreibendes Tempo zusammen mit dem vollen Midi-Orchester.
Tja, ich könnte jetzt hier noch zig weitere Tracks aufzählen. Etwa das eingängige Mountain, dass in seinem Grundaufbau ein wenig an den Anfang von Final Fantasy VII erinnert (die Musik nachdem Cloud den Zug verlassen hat). Oder das flotte Ressurection, mit seiner simplen aber ohrwurmigen Melodie. Die Empfehlung lautet daher, einfach mal den Soundtrack als Playlist laufen lassen, wenn ihr ohnehin am Computer sitzt. Es ist erstaunlich, wie hübsch Midi-Musik auch im Jahr 2012 noch klingen kann. Ich ziehe meinen Hut vor den Machern und dem kompletten Rollenspielgenre der 90er.
Auf eine Auflistung der einzelnen Tracks verzichten wir aus Gründen des Umfangs. Es sind über 50 Stück.